Der Arbeitsmarkt der Zukunft

Barrieren überwinden, Zukunft gestalten: Frauen in MINT-Berufen stärken

Wo ist der weibliche MINT-Nachwuchs?

Von meinen Kunden, das sind Unternehmen im Life Sciences, werde ich immer wieder angesprochen und gebeten, für eine bestimmte Führungsrolle idealerweise auch eine Frau zu finden. Denn Unternehmen haben durchaus das Ziel, ihre Führungspositionen verstärkt mit Frauen zu besetzen und so den Frauenanteil in der Managementebene zu erhöhen. Einfacher gesagt, als getan – denn wenn die Basis in Form von Studentinnen und Absolventinnen bestimmter Fachrichtungen fehlt, fehlen natürlich auch die späteren weiblichen Führungskräfte.

Frauen in MINT Berufen – ein persönliches Anliegen

Warum der weibliche MINT Nachwuchs fehlt, damit beschäftige mich schon seit geraumer Zeit. Es ist mir ein besonderes Anliegen als ehemalige Studentin der Biologie und Verfahrenstechnik sowie langjährige Personalberaterin für Unternehmen aus dem Life Sciences über das Thema Frauen in MINT Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) zu schreiben.

Erinnere ich mich zurück, hatte auch ich zu Beginn meines Studiums eine derartige „Schere im Kopf“ und war der Meinung, in Mathe nicht gut genug zu sein. Erst als ich im Laufe des Studiums merkte, dass in den Ingenieurswissenschaften auch nur „mit Wasser gekocht wird“, konnte ich mich von diesem Glaubenssatz lösen. Und hatte richtig Spaß dabei!

Aber was ist denn nun die Ursache dafür, dass viele Mädchen glauben Probleme mit Mathematik und/oder Naturwissenschaften zu haben? Denn leider scheint es tendenziell nicht besser zu werden, sondern eher schlechter.

Das MINT Nachwuchsbarometer 2023 gibt hierzu einen Einblick, wie z.B.:

Mädchen zeigen ein geringeres Selbstvertrauen und Interesse gegenüber Mathematik als Jungen. Die Geschlechterdifferenzen sind bei der Motivation größer als bei den Leistungen (Chart 5).

D.h. es fehlt eher die Motivation als das Talent. Daraus schließe ich, dass immer noch zuviele Mädchen diese „Schere im Kopf“ haben.

Ich hatte Glück. Ich hatte Vorbilder in meinem direkten Umfeld, die mich ermutigt und inspiriert haben. Hätte ich diese Vorbilder nicht gehabt, ganz ehrlich, ich hätte nicht den Mut gehabt, in die Verfahrenstechnik zu wechseln. Vorbilder sind genau das, was unsere Kinder und Jugendlichen brauchen.

Aber, wo sind die MINT-Vorbilder?

Es gibt sie. Die Vorbilder sind in den Unternehmen! Aber sie sind nach außen nicht sichtbar. Das war auch das Ergebnis der Studie der IU Internationalen Hochschule in Erfurt aus 2022. Es fühlen sich über 40% der jungen Frauen und Mädchen mit dem Thema MINT überfordert und nur wenige der Befragten haben Freundinnen oder weibliche Verwandte, die in MINT-Berufen arbeiten. Über ein Drittel kennt niemanden (!), der oder die mit MINT beruflich zu tun hat. Zur Studie/Kurzstudie als PDF.

Dazu aber auch mal ein positives Beispiel für Role-Models in MINT:

MINT in mind – A.U.G.E. Institut der Hochschule Niederrhein, Krefeld
Hier werden MINT Role Models (Männer und Frauen) vorgestellt und ihre Geschichte erzählt.

Über 300.000 Arbeitskräfte in MINT fehlen

Lt. dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) fehlten im April 2023 rund 308.400 Arbeitskräfte in der MINT-Branche. Wenn nicht jetzt,  wann sonst sollten Unternehmen gezielt und aktiv die Basis verbreitern, um später auf weibliche Führungskräfte in MINT Berufen zurückgreifen zu können? Abwarten bringt keine Veränderung!

Vorurteile und Stereotypen

Denn fehlen alternative Vorbilder, haben es Klischees einfach und interessanterweise scheinen Klischees wie „Frauen sind nicht technisch begabt“ oder „MINT-Berufe sind nur etwas für Männer“ immer noch in unseren Köpfen zu existieren. Studien und Untersuchungen, wie die soziologische Untersuchung von Benita Combet (Universität Zürich UZH) 2023 zeigen, dass Stereotype auch heute noch einen starken Einfluss auf die Entscheidungen von Frauen bezüglich ihrer Studien- und Berufswahl haben. Indem wir diese aktiv bekämpfen und Frauen als erfolgreiche Vorbilder präsentieren, können wir dazu beitragen, die Wahrnehmung von Frauen in MINT-Berufen zu verändern.

Fragen wir uns selbst, wer fällt uns ein, wenn wir an berühmte/bekannte Menschen in Physik, Mathematik, Chemie, Biologie oder auch Medizin denken? Sind Ihnen die Namen von Frauen oder Männern eingefallen?

Die Rolle von Schulen/Hochschulen

Schulen und Hochschulen spielen eine entscheidende Rolle bei der frühzeitigen Förderung von MINT-Interessen bei Mädchen. Schulen, auch schon Grundschulen, können gezielte Projekte und Initiativen entwickeln, um das Bewusstsein für MINT-Fächer zu stärken und Mädchen zu ermutigen, sich in diesen Bereichen weiterzuentwickeln. Geschlechtergerechte Bildungsangebote und Lehrmaterialien sollten Stereotypen durchbrechen und Mädchen das Vertrauen geben, dass sie in MINT-Berufen erfolgreich sein können.

Zwei Beispiele als Inspiration und Mutmacher

Die Universitäten Regensburg und Erlangen-Nürnberg bieten über eine Online-MINT-Plattform nur für Mädchen (5.-13.Klasse) ein einjähriges Mentorenprogramm an – bereits seit 2005.

Unter dem Motto „Junge Frauen studieren erfolgreich in Thüringen“ arbeitet die Thüringer Koordinierungsstelle NWT für alle und mit allen Universitäten und Fachhochschulen Thüringens zusammen, die natur- und ingenieurwissenschaftliche Studiengänge einschließlich der Lehramtsstudiengänge anbieten. Mit verschiedenen Angeboten können Studentinnen sich mit anderen Frauen im MINT-Bereich vernetzen und wertvolle Tipps für einen erfolgreichen Start in das Berufsleben zu erhalten.

Und inzwischen gibt es noch viele weitere Beispiele, wenn auch noch zu wenig.

Die Rolle der Eltern

Die Unterstützung der Eltern spielt eine entscheidende Rolle. Sie sind die ersten Rollenvorbilder und prägen Mädchen und Jungen entscheidend und nachhaltig. Eltern sollten insbesondere ihre Töchter ermutigen, ihre Interessen und Fähigkeiten in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik zu erkunden. Es ist wichtig, Vorurteile in der familiären Umgebung abzubauen und den Mädchen zu zeigen, dass sie die gleichen Möglichkeiten wie Jungen haben. Die Ermutigung muss aktiv von den Eltern kommen. Sie können sich beispielsweise über Angebote wie Workshops, Wettbewerbe oder Mentoring-Programme informieren und akzeptieren, dass nicht alle Mädchen Lehrerin, Ärztin, Erzieherin, Psychologin oder Krankenschwester (hierzu eine Studie aus 2022) werden möchten.

Unternehmen als Vorreiter

Es ist wichtig, dass Unternehmen die Gleichstellung von Frauen als strategisches Unternehmensziel verfolgen und nicht als eine lästige Pflicht. Sie sollten Maßnahmen ergreifen, um den Frauenanteil in technischen Berufen zu erhöhen, zum Beispiel durch gezielte Rekrutierungsmaßnahmen, Förderprogramme und flexible Arbeitsmodelle.

Ganz besonders das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss ganz oben auf der Agenda stehen, schon in der Ausbildung oder Weiterbildung. Mentoring-Programme können dazu beitragen, Frauen in MINT-Berufen zu unterstützen und ihnen den Aufstieg in Führungspositionen zu erleichtern. In vielen Fällen wird dies auch schon getan, doch wenn die Basis fehlt, ist die Umsetzung schwierig.

Gesellschaftliche Verantwortung

Die Förderung von Frauen in MINT-Berufen sollte nicht nur von Unternehmen, Schulen und Eltern getragen werden, sondern ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Wir müssen uns für Geschlechtergerechtigkeit in MINT-Berufen einsetzen. Dies erfordert eine Sensibilisierung gegenüber Stereotypen und Vorurteilen, sowie die Förderung von Role Models und Vorbildern, die Mädchen und Frauen in MINT-Berufen inspirieren. Die zukünftige Arbeitswelt wird stark von Technologie und Innovation geprägt sein. Es ist von großer Bedeutung, dass Frauen gleichberechtigt daran teilhaben und ihre Expertise einbringen können.

Ein bundesweites Beispiele für die Förderung von Mädchen in MINT-Fächern

Die Webseite „Komm, mach MINT“ bietet umfangreiche Informationen zum Thema Frauen und MINT. Die Webseite wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Nationalen Pakts für Frauen in MINT-Berufen gefördert. Man findet u.a. eine Projektlandkarte  mit etwa 1.000 Projekten deutschlandweit. Diese Projekte umfassen Schnuppertage, Stipendien, Mentoring-Programme und Wettbewerbe, die speziell für Schülerinnen und Studentinnen konzipiert sind.

Nicht das Geschlecht zählt, sondern Talent und Interesse

Ich betone ausdrücklich, dass die Förderung von Mädchen in MINT-Berufen nicht darauf abzielt, ein Geschlecht zu bevorzugen oder ein anderes zu benachteiligen. Vielmehr geht es darum, geschlechtsspezifische Barrieren zu überwinden, um eine faire Arbeitswelt zu schaffen, in der Kompetenz und Leistung ausschlaggebend sind. Jeder Einzelne sollte die Möglichkeit haben, seine Stärken und Fähigkeiten in dem Berufsfeld zu entfalten, das ihn am meisten interessiert und für das er am besten geeignet ist.

MEIN APPELL: Die Förderung von Mädchen und Frauen in MINT-Berufen ist eine wichtige Aufgabe, die von Schulen, Hochschulen, Eltern, Unternehmen und der Gesellschaft insgesamt gemeinsam angegangen werden muss. Indem wir Vorurteile und Stereotypen aufbrechen, die vielfältigen Chancen und Perspektiven in MINT-Berufen hervorheben, gezielte Unterstützung und Fördermaßnahmen bieten und eine Kultur der Gleichstellung schaffen, können wir Mädchen, Jugendliche und Frauen dazu ermutigen, ihre Potenziale in MINT-Berufen zu entfalten. Vorbilder und Testimonials halte ich persönlich für eines der wirksamsten Instrumente.

Es liegt in unserer Verantwortung, die notwendigen Veränderungen voranzutreiben und eine zukunftsfähige, vielfältige MINT-Branche aufzubauen, in der Frauen gleiche Chancen haben und ihre Talente voll entfalten können. Lassen Sie uns gemeinsam Mädchen und Frauen ermutigen und unterstützen, damit sie ihre Leidenschaft für MINT entdecken und erfolgreich in diesen spannenden Berufsfeldern Fuß fassen können.

Zum Weiterlesen:

Fachartikel bei studienwahl.de

zdi – die Gemeinschaftsoffensive für den MINT-Nachwuchs in NRW

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern auf dieser Website die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.

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