Unternehmenskultur

Erleben Männer eine umgekehrte Diskriminierung?

Chancengleichheit am Arbeitsplatz hat eine dunkle Seite

In den letzten Jahren hat die Diskussion um Geschlechtergerechtigkeit und Diversität in der Arbeitswelt stark an Bedeutung gewonnen. Ob Equal Pay Day, Motherhood Penality, Frauen in MINT Berufe, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – die Frauen wurden und werden (zu Recht) in den Mittelpunkt gestellt, bzw. deren Ungleichbehandlung im Beruf in Bezug auf Gehalt und Karrieremöglichkeiten – auch bei CONSIGEN auf dem Blog.

Denn Unternehmen, insbesondere im Mittelstand, sehen sich zunehmend unter gesellschaftlichem und politischem Druck, eine ausgewogene Geschlechterverteilung zu erreichen und Frauen gezielt zu fördern. Diese Bestrebungen haben ohne Zweifel viele positive Veränderungen mit sich gebracht. Doch inmitten dieser Bemühungen wird eine andere Facette der Gleichstellung oft übersehen: die Diskriminierung von Männern.

Während die Förderung von Frauen einen wichtigen Schritt hin zu mehr Chancengleichheit darstellt, berichten (auch uns) immer häufiger Männer davon, dass sie bei Beförderungen und Karrieremöglichkeiten benachteiligt werden. Dies führt dazu, dass Männer trotz passender oder sogar besserer Qualifikationen den nächsten Karriereschritt nicht machen können. Besonders frustrierend ist es, wenn eine Frau die Position erhält, obwohl sie nicht so passgenau qualifiziert ist wie der männliche Bewerber. Diese Situationen können demotivierend wirken und dazu führen, dass viele Männer sich gar nicht erst auf bestimmte Stellen bewerben, da sie das Gefühl haben, von vornherein benachteiligt zu sein.

Ausgleichende Gerechtigkeit?

Natürlich könnte man dies nun für eine (späte) ausgleichende Gerechtigkeite halten. Über Jahrtausende wurden Frauen benachteiligt, Stichwort ´alte, weiße Männer´und ´Herrenclubs´ in denen Frauen allenfalls als Sekretärin präsent waren, die den Kaffee servierten.

Daher möchten wir klarstellen, wir erachten die Förderung von Frauen als notwendig und äußerst wichtig, um Geschlechtergerechtigkeit in der Arbeitswelt zu erreichen. Frauen sollen gleiche Chancen auf Karriereentwicklung und Führungspositionen haben. Doch in diesem Bestreben dürfen wir nicht vergessen, dass auch Männer fair behandelt werden müssen. Es ist entscheidend, ein Gleichgewicht zu finden, das beiden Geschlechtern gerecht wird.

Eine gewisse Frustation und Frauenförderungs-Müdigkeit ist zu spüren.

Denn wird nicht schon genug für die Gleichstellung der Frauen getan??

60% der Männer finden, dass in Deutschland hinsichtlich der Gleichstellung schon genug getan wird. 38% der Frauen sehen dies ebenso. Das sind Ergebnisse der Ipsos Global Advisor Studie zum „International Women´s Day 2024“. Online wurden 2023/2024 über 24.000 Personen von 16 bis 74 Jahren in 31 Ländern befragt. Aus Deutschland wurden etwa 1.000 Menschen befragt. Die genannten Ergebnisse beziehen sich auf die Auswertung der Zahlen aus Deutschland.

Noch klarer wird es mit den 45% der deutschen Männer, die glauben, dass die Gleichstellung von Frauen so weit gefördert wurde, dass wir nun Männer diskriminieren. Frauenförderung also auf Kosten von Männern? Immerhin sind 29% der Frauen ebenfalls dieser Ansicht.

Dazu passt, dass wir von Frauen hören: „Ich möchte die Stelle nicht bekommen, weil ich eine Frau bin und eine Quote erfüllt werden muss!“ Umgekehrt wissen wir von männlichen Kandidaten, die sich auf eine passende Stelle gar nicht erst beworben haben, weil klar ist, dass das Unternehmen dort eine Frau positionieren möchte oder muss.

Das ist das Dilemma mit der Gleichstellung, die eigentlich eine Schieflage beheben soll. Die Schieflage wird als „normal“ empfunden und das Ausgleichen in ein Gleichgewicht führt zu einem „gefühlten“ Ungleichgewicht.

Männer in „Frauenberufen“

Interessant, dass die Sterotypen, die wir im Kopf haben, bei der Bewerbung von Männer auf typische Frauenberufe ebenfalls auswirkt. Bei männlichen Bewerbern war die Wahrscheinlichkeit, dass sie Rückmeldung erhielten, zwischen fünf und neun Prozent geringer als bei Frauen. Das zeigte 2021 die Studie des WZB (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) gemeinsam mit der Universität Oslo, der Universität Carlos III in Madrid und der Universität Amsterdam. In der frühen Phase der Bewerbung hatten männliche Bewerber in Deutschland, den Niederlanden, Spanien und dem Vereinigten Königreich weniger Chancen auf eine Antwort bzw. Rückfrage.

Das zeigt leider weiterhin die alten Denkmuster und Rollenbilder, die das Geschlecht bestimmten Eigenschaften, Stärken und damit auch Berufen zuordnen. Pflege und Erziehung sind sicherlich die Klassiker.

Ermutigend ist es allerdings, wenn wir im Monitoringbericht des Bundesfamilienministeriums lesen, dass Frauen zwar 2022 mit 92,8 Prozent im Berufsfeld von KiTa erwartungsgemäß stark überrepräsentiert sind, der Anteil männlicher Fachkräfte aber mit 7,2 Prozent (2021: 6,9 Prozent) seit 2019 kontinuierlich steigt.

Personalauswahl mit Alibi-Funktion

Denn Unternehmen sehen sich oft gezwungen, Frauen aufgrund von Quotenregelungen oder dem Wunsch nach einer vielfältigeren Außendarstellung zu bevorzugen. Gleichzeitig möchten sie vermeiden, dem Vorwurf der Frauendiskriminierung ausgesetzt zu sein.

Diese Zwickmühle, in der sich viele Unternehmen befinden, wirft wichtige Fragen auf: Wie können Unternehmen ein Gleichgewicht finden, das beiden Geschlechtern gerecht wird? Welche Maßnahmen sind erforderlich, um sowohl die Förderung von Frauen als auch die Chancengleichheit für Männer zu gewährleisten?

Denn warten auf regulatorische, staatliche Verordnungen, Gesetze, Initiativen oder Förderungen in Deutschland und/oder der EU, kann – auch im Kontext des Fachkräftemangels – keine Lösung sein. Wir sehen vielmehr die Lösungskompetenz und die Verantwortung bei den Unternehmen, hier proaktiv zu werden.

Denn die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit in Unternehmen ist ein komplexes Unterfangen, das sowohl Sensibilität und ein entsprechendes Mindset erfordern, sowie die darauf aufbauende strategische Planung. Beginnen Sie doch einfach – z.B. mit ein paar Maßnahmen, die wir nachfolgend für Sie zusammengestellt haben.

Transparente Beförderungskriterien
Unternehmen sollten klare und transparente Kriterien für Beförderungen und Karriereschritte etablieren. Diese Kriterien sollten auf Fähigkeiten, Leistung und Potenzial basieren und für alle Mitarbeitenden gleichermaßen gelten.

Mentoring- und Förderprogramme
Sowohl Männer als auch Frauen sollten Zugang zu Mentoring- und Förderprogrammen haben. Diese Programme können dabei helfen, individuelle Karriereziele zu erreichen und Netzwerke aufzubauen. Es ist wichtig, dass diese Programme geschlechtsunabhängig gestaltet sind und die Bedürfnisse aller Mitarbeitenden berücksichtigen.

Regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Diversitätsstrategien
Unternehmen sollten ihre Diversitätsstrategien regelmäßig überprüfen und anpassen. Dies kann durch interne Audits, Mitarbeitendenbefragungen und den Austausch mit externen Experten geschehen.

Gleichberechtigte Beteiligung an Entscheidungsprozessen
Männer und Frauen sollten gleichermaßen in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Dies kann durch gemischte Teams, diverse Führungsgremien und eine offene Kommunikation erreicht werden. Eine gleichberechtigte Beteiligung stellt sicher, dass unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt werden und die besten Entscheidungen für das Unternehmen getroffen werden.

Entwicklung individueller Karrierepläne
Unternehmen sollten individuelle Karrierepläne entwickeln, die auf die Stärken, Ziele und Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeitenden abgestimmt sind. Durch regelmäßige Gespräche und Feedback können Führungskräfte sicherstellen, dass alle Mitarbeitenden – unabhängig von ihrem Geschlecht – die Unterstützung und Ressourcen erhalten, die sie für ihre berufliche Entwicklung benötigen.

Ziel ist eine ausgewogene und faire Personalpolitik

Es geht darum, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der alle Mitarbeitenden ihr volles Potenzial entfalten können – unabhängig von ihrem Geschlecht. Denn die verstärkte Förderung und gezielte Rekrutierung von Frauen kann dazu führen, dass Männer bei der Bewerbung um Führungspositionen auf stärkere Konkurrenz stoßen. Diese erhöhte Konkurrenz entsteht häufig, weil Unternehmen für bestimmte Positionen bewusst Frauen bevorzugen.

Auch wir bei CONSIGEN stellen fest, dass das Geschlecht bei der Besetzung von Führungs- und Managementpositionen oft überbewertet wird. Dabei sollte das Geschlecht keinerlei Rolle im Anforderungsprofil spielen. Stattdessen sollten die Qualifikationen und Kompetenzen aller Bewerber und Bewerberinnen, unabhängig von ihrem Geschlecht, im Vordergrund stehen.

Bewusstsein für unbewusste Voreingenommenheit schaffen

Um Bevorzugung oder Benachteiligung aufgrund des Geschlechts zu vermeiden, ist es notwendig, sich bewusst mit dem Thema auseinanderzusetzen. Unbewusste Voreingenommenheit kann Entscheidungen beeinflussen, ohne dass sich die Entscheidungsträger dessen bewusst sind. Hier helfen Schulungen und Workshops zur Sensibilisierung von Vorurteilen und Gender Bias.

Gender Bias bezeichnet die systematische Bevorzugung oder Benachteiligung eines Geschlechts aufgrund von vorgefassten Meinungen, Stereotypen oder kulturellen Normen. Diese Voreingenommenheit kann bewusst oder unbewusst auftreten und beeinflusst, wie Menschen wahrgenommen, bewertet und behandelt werden.

Die bewußte Reflektion hilft Führungskräften und Personalverantwortlichen, diese Voreingenommenheiten zu erkennen und zu minimieren, was ein wichtiger Schritt ist, um sicherzustellen, dass Beförderungen und Karrieremöglichkeiten fair und objektiv gehandhabt werden. Gleichzeitig sollten Unternehmen darauf achten, sowohl männliche als auch weibliche Vorbilder in Führungspositionen zu fördern. Diese Vorbilder verdeutlichen, dass Erfolg unabhängig vom Geschlecht möglich ist, und setzen durch gezielte Kommunikation und Sichtbarkeit ein starkes Signal für Chancengleichheit und Diversität.

Unternehmen sollten sicherstellen, dass alle Bewerberinnen und Bewerber – unabhängig von ihrem Geschlecht (aber auch von Herkunft, Alter, Religion etc.) – aufgrund ihrer Qualifikationen, Fähigkeiten und Erfahrungen beurteilt werden. Nur so kann eine wirklich faire und ausgewogene Personalpolitik erreicht werden, die den Fortschritt für beide Geschlechter gleichermaßen fördert.

Zum Weiterlesen

Personalwirtschaft, März 2024
Werden Männer durch die Gleichberechtigung diskriminiert?

WZB, November 2021
Junge Männer bei Frauenberufen im Nachteil

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Soziale Berufe – interessant für Frauen und Männer

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