Der Arbeitsmarkt der Zukunft

Lösen Frauen das Problem des Fachkräftemangels?

Sind Frauen das größte Potenzial auf dem Arbeitsmarkt?

Heute nehmen wir den Beitrag aus der Kolumne von Marcel Fratzscher auf Zeit Online zum Anlass, genauer zu hinterfragen, ob Frauen das größte Potenzial auf dem Arbeitsmarkt sind und somit das Problem des Fachkräftemangels lösen. In unseren Blogbeitrag fließen sowohl unsere Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit vielen Geschäftsführern, Personalverantwortlichen, Mitarbeitenden und Kandidaten ein, aber auch eine Portion Lebens- und Berufserfahrung und eigene Wahrnehmung.

Weg mit den Hürden

Die unzähligen Hürden für Frauen sind auch 2022 noch eine Tatsache, ebenso dass immer noch die Mehrheit der Frauen im erwerbstätigen Alter in Teilzeit arbeiten, wenn sie arbeiten. Denn 20% tun dies nicht (siehe Studie der Bertelsmann Stiftung). Gleichzeitig möchten viele erwerbstätige Frauen mehr Stunden arbeiten, bzw. wieder in das Berufsleben einsteigen. Dass dies aber nicht so einfach ist, hat vielleicht schon die ein oder andere Leserin selbst erfahren.

Womit wir bei den Hürden sind. Hürden, die nicht nur politisch in Angriff genommen werden müssen, wir beziehen uns hier z.B. auf steuerpolitische Einflussnahme, sondern insbesondere von Unternehmen selbst. Denn die ungleichen beruflichen Chancen für Männer und Frauen sind aus unserer Sicht in einem modernen Land wie Deutschland inakzeptabel.

Systemrelevant, aber trotzdem keine Wertschätzung?

Der sogenannte Gender Pay-Gap, die unterschiedliche Bezahlung bei gleicher Leistung von Männern und Frauen, ist nicht nur, aber auch in der Wertschätzung der „typischen Frauenberufe“ im sozialen Sektor begründet. Wurden sie in der Pandemie als systemrelevant gefeiert, hat sich an den Arbeitsbedingungen und der Bezahlung so gut wie nichts geändert. Und da es meist Frauen sind, die diese Arbeiten übernehmen, wirkt sich die Gehaltsdiskriminierung für Frauen hier besonders stark aus.

Frauen sollten laut und smart sein

Im Gegensatz dazu haben wir von CONSIGEN in der Industrie bei höher qualifizierten Positionen nicht die Erfahrung gemacht, dass der Unterschied in den Gehältern allein auf das Geschlecht zurückzuführen ist. Hochqualifizierte Frauen hatten noch nie so gute Chancen ihre Karriere voranzubringen und in Gehaltsverhandlungen zu punkten, wie heute. Nur müssen sie sich offensiver vermarkten, ihre Erfolge beanspruchen und mutiger werden. Männer sind besser in der Selbstvermarktung, pokern hoch in Gehaltsverhandlungen und agieren lauter, wenn es darum geht, Erfolge für sich zu vereinnahmen. Frauen sind leiser und damit weniger sichtbar.

Mit entsprechenden Coachingangeboten, einer empathischen Führung und dem richtigen Mindset im Management, wären schon heute viel mehr Frauen in höheren Positionen. Dabei ist der Vorbildcharakter von Managerinnen und weiblichen Führungskräften nicht zu unterschätzen. Gelebte und geförderte aktive Vernetzung in ausschließlich weiblichen Netzwerken sowie Mentorenprogramme für den weiblichen Nachwuchs, sind ausgezeichnete Maßnahmen, um Frauen zu stärken und im Unternehmen zu halten.

Aber – genügt ein Netzwerk, ein bißchen Ermunterung und die Anpassung von Gehältern, um mehr Frauen in den Beruf zu bringen? Können Frauen die fehlenden Fachkräfte ausgleichen, wenn diese – rein hypothetisch – die entsprechenden Qualifikationen besitzen, die gebraucht werden?

Leider sind wir nicht davon überzeugt, dass dies genügt. Denn die Steigerung des Frauenanteils, insbesondere bei Vollzeitstellen, steht und fällt mit einer alten „Hürde“ – der Kinderbetreuung.

Da war doch noch was!

Hand aufs Herz, wer hat nicht schon in der Recruitingphase eine klare Vorstellung vom Kandidaten, der Kandidatin und den Qualifikationen und Kompetenzen? Gehört da die oft eingeschränkte Verfügbarkeit auf Grund von (eventuell zukünftiger) Kinderbetreuung dazu? Ist das Thema nicht automatisch relevant, wenn sich eine Frau bewirbt, aber nicht, wenn der Bewerber männlich ist? Gibt es, vielleicht auch nur fragmentartig im Hinterkopf, nicht wie von selbst Fragen zur Kinderplanung oder zur Betreuung im Falle eines kranken Kindes, die man sich und eigentlich auch gern der Bewerberin stellt?

Es ist immer noch die Frau, die – durch die Pandemie noch verstärkt – die Aufgabe der Kinderbetreuung übernimmt. Nicht immer gewollt, aber oft gezwungen aufgrund (siehe oben) des höheren Einkommens des männlichen Elternteils.

Aber geht es nicht, hier zitieren wir gern aus o.g. Artikel, darum, „alle Menschen in der Gesellschaft mit den gleichen Chancen und Freiheiten auszustatten, sodass jede und jeder individuell für sich und seine Familie entscheiden kann.“ Korrekt und doch nicht Realität. Denn die Betreuung der Kinder und vielleicht sogar später die Betreuung der pflegebedürftigen Eltern, sind nach wie vor Aufgabe der Frauen. Diskriminierung erfahren sie genau durch diese Hürde. Die Arbeitswelt geht an der Lebensrealität vorbei.

Lebensphasenorientierte Personlpolitik

Gefragt ist eine lebensphasenorientierte Arbeitsumgebung, die allen gerecht wird, Männern wie Frauen. Sie betrachtet die Mitarbeitenden ganzheitlich, von der persönlichen Weiterbildung, der Karriereplanung, werden ebenso Auszeiten wie Sabbatical oder Bildungsurlaub und eben Kinderbetreuung und Pflege kranker oder alter Angehöriger mit Maßnahmen ermöglicht und begleitet. Es ist keine Frage ob, nur wie Unternehmen sich diesem Thema annehmen. Denn Unternehmen können es sich nicht mehr leisten, die Augen zu verschließen. Der Kandidatenmarkt wird immer enger und die Ansprüche der Mitarbeitenden höher.

Zum Schluß möchten wir aber nicht verschweigen, dass immer mehr Unternehmen die Hürden nehmen und neue Wege gehen. So ist z.B. die Zahl der Betriebskindergärten in den vergangenen zehn Jahren (Stichtag 2021) um rund 50% gewachsen. Es gibt zum 1.März 2021 immerhin 762 Betriebskitas (statista), 2014 waren es noch 668 bei insgesamt 3,6 Mio. Unternehmen (Hans Böckler Stiftung).

Natürlich, in Relation zu der Zahl an Unternehmen, sind es zu wenig Initiativen. Es ist hier noch viel zu tun. Trotzdem, es haben immer mehr Unternehmen (meist Familienbetriebe im Mittelstand) verstanden, was nötig ist, um mehr Frauen zu gewinnen und zu halten.

Es gibt nicht die Lösung, es gibt die Lösungen

Unser Appell an alle, die diesen Blogbeitrag gerade lesen und im Unternehmen etwas bewirken wollen: Es gibt nicht die eine Lösung dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, es sind nicht allein die Frauen, die als Mitarbeiterinnen gewonnen werden müssen.

Es gäb auf vieles hinzuweisen, das hilft Mitarbeitende zu gewinnen bzw. zu halten: von der Ansprache älterer Kandidaten (Link Blogbeitrag), der betriebsinternen Weiterqualifizierung der Mitarbeitenden, dem Aufbau einer wertschätzenden Unternehmenskultur (Link) bis hin zum frühen und aktiven Nachwuchs- und Talentemanagement. Immer steht und fällt der Erfolg einer Maßnahme mit dem Willen zur Umsetzung. Mit dem „richtigen“ Mindset wird es gelingen und Frauen sind definitiv ein Teil der Lösung, wenn man sie lässt und ihnen den Weg frei macht, ganz besonders ihren Weg in die MINT-Berufe.

MINT-Berufe müssen attraktiver werden

Unternehmen mit MINT-Berufen sind besonders in der Verantwortung, diese Berufe bekannter und attraktiver zu machen – nicht nur für Mädchen und Frauen. Wie? Initiativen gibt es genug, wie z.B. MINTvernetzt als Dach für die außerschulische MINT-Bildung in Deutschland. Für Unternehmen in NRW ist das zdi eine großartige Möglichkeit. Mit über 5.000 Partnerschaften aus Wissenschaft, Wirtschaft, Schule, Politik und Gesellschaft ist zdi.NRW europaweit das größte Netzwerk zur Förderung des MINT-Nachwuchses. Die Zusammenarbeit mit Unternehmen ist dabei eine Möglichkeit, ebenso wie das Angebot von Projekten, Wettbewerben und Schulkooperationen, um regional auf sich aufmerksam zu machen. Und zum Ende noch ein Link zu Praxistipps in der MINTtoolbox, um weibliche Nachwuchskräfte mit besonderen Aktivitäten für MINT zu begeistern.

Es liegt an den Unternehmen aktiv zu werden, um die Zukunft mit neuen Mitarbeitenden zu sichern. Gern untersützen wir Sie.

Lesetipp Transparenz schafft Vertrauen


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