Loud Quitting – der effektvolle Abgang als Trend?
Kündigung mit Knall
Die Bereitschaft von Mitarbeitenden, ihren Unmut lautstark zum Ausdruck zu bringen und verärgert zu kündigen, ist nicht neu. Doch die veränderte Kommunikationskultur, angetrieben durch Social Media, verleiht diesem Phänomen eine neue Dynamik und Brisanz. Für Unternehmen ist es daher keine Option mehr, dieses Verhalten zu ignorieren. Als Personalberater möchten wir in unserem neuen Blogbeitrag auf die Bedeutung und die Herausforderungen des sogenannten „Loud Quitting“ eingehen und zeigen, wie Unternehmen darauf reagieren können.
Negatives bleibt in Erinnerung
Jeder von uns hat schon schlechte Erfahrungen im privaten Umfeld gemacht – schlechter Service, mieses Essen, langes Warten, überteuerte Rechnungen oder einfach die Nase des Gegenüber, die einem nicht passt. Wir sind im Privaten bei Hotels, Restaurants oder Handwerkern schnell dabei, unseren Unmut öffentlich zu verkünden. Das können Bewertungen auf Google oder anderen Bewertungsplattformen sein, ein entsprechender Beitrag auf Social Media oder auch „nur“ die Weitergabe jedes Details in privater Runde bei Familie, Freunden, Kollegen.
Menschen erzählen in der Regel häufiger eine schlechte Erfahrung weiter als eine gute und je nach Situation, passiert dies nur offline oder eben online und damit sichtbar für alle. Entsprechend ist die Reichweite unterschiedlich hoch.
Interessant zu wissen, dass die Wirkung bei negativen Erfahrungen signifikant größer ist, als bei positiven. Es ist eine Tatsache, dass Menschen stärker auf negative Berichte und Erzählungen reagieren und wir sie uns leichter merken. Sie können das bei sich selbst, in Ihrem Umfeld und der Gesellschaft ganz allgemein beobachten, insbesondere in Krisenzeiten.
Negative Schlagzeilen bleiben stärker im Gedächtnis und werden eher weitererzählt. Sie überlagern die positiven, verselbständigen sich und leider verändern sie sich oft beim Weitererzählen – so wird aus einer Mücke bekanntermaßen oft ein Elefant!
Letzter Akt: Rebellion!
Lautstarke Äußerdungen betreffen inzwischen auch das Arbeitsleben. Unmut, Ärger oder Wut werden „gern“ öffentlich geteilt. Seit den sozialen Medien, der allgegenwärtigen Messengermöglichkeit sowie Foren, Bewertungsplattformen und anderen Online-Medien, errreichen diese Erfahrungen und Meinungen mehr Menschen in kürzerer Zeit. Und weil wir das Teilen inzwischen im Blut haben, teilen die Empfänger diese Informationen bereitwillig an ihre eigene „Community“.
Interessant zu wissen, ist dass man das Phänomen, negative Informationen stärker zu gewichten als positive, „Negativity Bias“ nennt. Eine Negativity Bias ist eine kognitive Verzerrung, bei der negative Ereignisse, Informationen oder Emotionen stärker wahrgenommen und erinnert werden als positive oder neutrale. Diese Tendenz, Negatives zu betonen, kann sich auf verschiedene Aspekte des Lebens auswirken, darunter Entscheidungsfindung, Beziehungen und allgemeines Wohlbefinden.
Hauptmerkmale der Negativity Bias
Erhöhte Aufmerksamkeit für Negatives
Menschen neigen dazu, mehr Aufmerksamkeit auf negative Informationen zu richten als auf positive. Zum Beispiel wird eine schlechte Nachricht oft intensiver verfolgt und diskutiert als eine gute Nachricht.
Stärkere emotionale Reaktionen
Negative Ereignisse lösen oft stärkere emotionale Reaktionen aus als positive. Ein kritisches Feedback kann beispielsweise tiefere und länger anhaltende Emotionen hervorrufen als ein lobendes Feedback.
Längere Erinnerung an Negatives
Negative Erlebnisse bleiben länger im Gedächtnis und werden detaillierter erinnert als positive. Ein unangenehmes Ereignis kann sich über Jahre hinweg ins Gedächtnis einprägen, während positive Ereignisse schneller verblassen.
Einfluss auf Entscheidungsfindung
Negatives wird oft stärker in Entscheidungen einbezogen als Positives. Menschen neigen dazu, Risiken zu vermeiden und sich stärker auf potenzielle Verluste zu konzentrieren als auf mögliche Gewinne. Hier liegt die Gefahr für Unternehmen, wenn sich ein negatives Image (korrekt oder nicht) etabliert, wird es schwieriger neue Mitarbeitende zu finden und die bestehenden zu motiveren.
Ob die Negativity Bias evolutionär bedingt ist und ursprünglich dem Überleben diente, indem sie Menschen half, potenziell gefährliche Situationen zu erkennen und zu vermeiden, ist nicht belegt.
World, can you hear me?
Wer seine negativen Erfahrung mitteilen möchte, macht dies in der Regel nicht, um möglichst viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Die Motivation kommt aus dem Empfinden heraus, eine Ungerechtigkeit erfahren oder Misstände erlebt zu haben. Diese Ohnmacht und Wut lassen leider so manche unbedachte oder agressive Äußerung in die Welt, die nicht nur in der Regel nichts ändert, sondern auch in hohem Maße unprofessionell ist. Außerdem nutzen diese Menschen die Gelegenheit, persönliche Überzeugungen und Kritik am Unternehmen zu äußern. Dies kann eine Reaktion auf schlechte Arbeitsbedingungen, mangelnde Wertschätzung oder andere Konflikte am Arbeitsplatz sein. Sie möchten sicherstellen, dass ihre Botschaft gehört wird und andere Arbeitnehmende und die Öffentlichkeit auf (eventuelle) Missstände im Unternehmen aufmerksam machen.
Wie sie dies tun, ist höchst unterschiedlich und manchmal ausgesprochen kreativ. Je größer die Frustration, desto lauter und kreativer in der Regel die Art und Weise. Das hierbei oft Anstand und Respekt vergessen werden, liegt auch an der Allgegenwärtigkeit der sozialen Medien, wie z.B. Tiktok, das mit dem Trend #quittok eine Plattform bietet, bei der sich junge Menschen beim Kündigen filmen (siehe Lesetipps unten). Ebenso macht es die schnelle und einfache Bewertung auf Arbeitgeber-Bewertungs-plattformen wie kununu sehr einfach, seinen Frust der Welt mitzuteilen. Aus Ohnmacht wird Macht.
Beispiele für Loud Quitting
…in aufsteigender Reihenfolge in Bezug auf Reichweite und Wirkung:
- Offensichtliches Lästern während der verbleibenden Arbeitszeit gegenüber Kollegen
- Kritische Äußerungen in Meetings
- Aufgedrängte Diskussionen in der Kaffeeküche
- Versenden von unbequemen E-Mails
- Direkte Konfrontation mit Vorgesetzten – vor Kollegen
- Sehr kritische Social-Media-Postings
- Negative Bewertung auf Arbeitgeber-Bewertungsplattformen wie kununu und Glassdoor
- Live-Stream-Kündigungen auf Instagram, TikTok oder YouTube
- Ein offener Brief, der auf Plattformen veröffentlicht wird und viral geht
Bevor wir auf die Folgen und Strategien eingehen, möchten wir darauf aufmerksam machen, dass sich Loud Quitting oft ankündigt – manchmal sogar durch Quite Quitting.
Vom stillen Leiden zum lautstarken Abreagieren
Loud Quitting und Quiet Quitting – entweder oder? Oder doch eher Teil des Ganzen und ein Verlauf von leise zu laut? Tatsächlich müssen sich die Trends nicht unbedingt gegenseitig ausschließen. Ein Mitarbeiternder, der am Ende (öffentlich) laut wird, kann vorher schon lange Zeit leise gekündigt haben. Denn wenn er einen Ausweg aus der Situation gefunden hat (im Unternehmen oder einem anderen neuen Arbeitgeber), steigen das Selbstwertgefühl und gleichzeitig das Bedürfnis, aus dieser stärkeren Position heraus, dem Arbeitgeber ungefährdet die Meinung zu sagen. Bei manchen Menschen wird es so groß, dass sie mit einem großen Knall gehen.
Frühzeitig einzugreifen und Mitarbeitende zu „erkennen“, die nur noch wenig motiviert sind, haben wir in unserem Blogbeitrag geschrieben “…Nur zufriedene Mitarbeiter bleiben einem Unternehmen treu, sind motiviert und leistungsbereit. Diese Zufriedenheit zu gewährleisten, fordert die Unternehmen heraus. Sie müssen über den Obstkorb und das Weihnachtsgeld hinaus es schaffen, ihre Beschäftigten zu halten und zu motivieren.“
Lesen Sie, welche Faktoren Mitarbeitende in die Unzufriedenheit, Kündigung und evtl. das Loud Quitting treiben, im Blogbeitrag.
Folgen von Loud Quitting für Unternehmen
Negative Auswirkungen auf die Arbeitsmoral: Loud Quitting kann zu Angst und Unsicherheit bei den verbleibenden Mitarbeitenden führen. Zudem kann die Stimmung im Betrieb leiden, was zu Demotivation und Leistungsabfall führt. Es kann sogar zu einem „Dominoeffekt“ kommen, der weitere Verärgerungen und Kündigungen nach sich zieht.
Beschädigung des Unternehmensimages: Das Image und die Reputation des Unternehmens kann (nachhaltig) beschädigt werden. Wenn Mitarbeitende (evtl. auch nur vermeintliche) Missstände im Unternehmen öffentlich machen und negative Kommentare über das Unternehmen abgeben, kann dies potenzielle Kunden und Bewerber abschrecken.
Rechtliche Konsequenzen: Wenn Arbeitnehmende in ihrem lauten Ausstieg falsche oder verleumderische Aussagen über die Firma machen, kann dies zu Rechtsstreitigkeiten führen. Aber ob die rechtliche Verteidigung eine gute Entscheidung ist, sollte der Arbeitgeber sorgfältig prüfen. Beruht die Kritik hingegen auf einer groben Fehleinschätzung oder völlig überzogenen Vorstellungen des Arbeitnehmers, kann der Einsatz juristischer Mittel notwendig sein.
Positive Strategien gegen Loud Quitting
Ignorieren, wegsehen, voreilige rechtliche Schritte, womöglich Einschüchterung oder im Gegenteil, überzogene monitäre Angebote sind keine wirklich nachhaltige Strategie.
Dabei haben Unternehmen mehrere Möglichkeiten, proaktiv und positiv gegen Loud Quitting vorzugehen, ohne auf rechtliche Maßnahmen zurückzugreifen. Hier sind einige Strategien:
Verbesserung der internen Kommunikation
Offene und transparente Kommunikation zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden kann dazu beitragen, Missverständnisse und Unzufriedenheit frühzeitig zu erkennen. Dazu zählen u.a. regelmäßige Feedback- und Mitarbeitergespräche, um die Stimmung ihrer Mitarbeitenden besser einzuschätzen und auf Bedenken oder Probleme zeitnah zu reagieren.
Positive Unternehmenskultur fördern
Eine Unternehmenskultur, die Wertschätzung, Anerkennung und Respekt betont, kann das Arbeitsumfeld verbessern und die Mitarbeiterbindung stärken. Maßnahmen wie Anerkennungsprogramme und Teamevents können dazu beitragen.
Ein häufiger Grund für lautstarken Unmut ist das Thema Gehalt. Das zu einem wertschätzenden Umgang eine marktkonforme Bezahlung gehört, ist selbstverständlich. Faire und transparente Gehälter oder alternative Benefits, sind die Basis für Motivation und Leistungsbereitschaft. Ein Blick z.B. auf gerechte Entlohnung für Männer und Frauen, kann sich lohnen.
Mitarbeitende einbinden
Wenn Mitarbeitende das Gefühl haben, dass ihre Meinungen und Ideen gehört und wertgeschätzt werden, sind sie weniger geneigt, ihren Frust öffentlich zu machen. Dies kann durch Umfragen, Workshops und offene Foren zur Diskussion von Verbesserungsvorschlägen erreicht werden.
Klare Talent- und Karriereentwicklung
Mitarbeitende, die klare Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung und Aufstiegschancen sehen, sind eher motiviert und loyal gegenüber dem Unternehmen.
Probleme frühzeitig erkennen und ansprechen
Führungskräfte sollten geschult werden, Anzeichen von Unzufriedenheit frühzeitig zu erkennen und darauf einzugehen. Offene Türen und ein offenes Ohr für die Sorgen der Mitarbeitenden sind dabei essentiell.
Mentoring und Coaching
Mentoring- und Coaching-Programme können dabei unterstützen, beruflichen Ziele zu erreichen und sich im Unternehmen wertgeschätzt zu fühlen.
Wenn alle präventiven Maßnahmen erschöpft sind und Loud Quitting weiterhin ein Problem darstellt, können Arbeitgeber noch einige letzte Schritte ergreifen.
Handeln in letzter Minute
Arbeitgeber sollten einen sachlichen Kündigungsprozess anbieten, der fair und respektvoll ist. Vielleicht ist sogar der Einsatz eines Mediators sinnvoll und schafft auch Missverständnisse aus der Welt. So früh wie möglich, d.h. bei ersten Anzeichen oder Warnsignalen, sollten Führungskräfte das Gespräch mit den betroffenen Mitarbeitenden suchen, um den Konflikt zu deeskalieren. Dabei ist es wichtig, aktiv zuzuhören, die Gründe für die Kündigung zu verstehen und sich professionell zu verhalten, auch wenn Enttäuschung oder Ärger im Spiel sind. Wenn noch nicht geschehen, sollten Führungskräfte und Personalverantwortliche in Konfliktmanagement-Techniken geschult werden.
Wir wissen, Loud Quitting ist eine Herausforderung für Unternehmen. Deshalb ist die Schaffung einer positiven Arbeitskultur und zufriedene Mitarbeitende essentiell, um das Risiko zu verringern und solche Situationen von vornherein vermeiden. Dazu zählt auch eine gute Führungs- und Trennungskultur, gekennzeichnet durch Fairness und Klarheit.
Zum Weiterlesen
Tagesspiegel, 2019
Aufmerksamer und erregter: Menschen reagieren stärker auf schlechte Nachrichten als auf gute
WirtschaftsWoche, 2023
Warum sich junge Menschen bei ihrer Kündigung filmen
Stern, 2023
QuitTok: Junge Menschen filmen sich beim Kündigen und gehen viral.
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