Recruiting-Trends

Zeit und Ehrlichkeit im Recruiting vermeiden Blind Signing

Früh gefreit ist schnell gereut 

…dieser Spruch passt zu Blind Signing, denn der Begriff beschreibt das schnelle, unüberlegte (blinde) Unterschreiben eines Arbeitsvertrages mit der Gefahr einer Fehlentscheidung – für beide Seiten, Arbeitnehmende und Arbeitgeber. Gründe und Gegenmaßnahmen haben wir uns, auch auf Basis unserer Erfahrung aus über 10 Jahren im Recruiting, genauer angesehen. Denn Blind Signing, ob jetzt Trend oder Buzzword, ist für beide Seiten frustrierend und besonders für Unternehmen ausgesprochen kostspielig.

Was ist Blind Signing?

Blind Signing beschreibt, dass Jobsuchende ohne ausreichende Informationen oder ohne gründliche Prüfung eines Arbeitsangebots einen Arbeitsvertrag unterzeichnen. Dies kann dazu führen, dass sie unzufrieden mit ihrer Stelle sind oder dass wichtige Aspekte des Jobs anders dargestellt wurden als sie tatsächlich sind. Das führt wiederum zu Unzufriedenheit und erhöhter Jobwechselbereitschaft.

Blind Signing betrifft auch Arbeitgeber

Blind Signing bei Arbeitgebern? Ja, denn in allen Branchen kämpfen die Unternehmen mit den Auswirkungen des Fach- und Führungskräftemangel.

Als Personalberater erleben wir das Szenario häufig: Eine wichtige Position ist offen und muss, um jeden Preis – so scheint es – schnellstens besetzt werden. Die Gespräche mit Kandidaten werden möglichst rasch vereinbart, oft muss ein einziger remote Termin genügen. Der Arbeitsvertrag ist schon unterschriftsreif vorbereitet und es wird mit Versprechungen rund um Gehalt und Benefits um den Kandidaten geworben. Denn nur eine besetzte Stelle ist eine gute Stelle!

Ob die Entscheidung richtig war, zeigt sich relativ schnell, in der Regel nach ein paar Wochen oder spätestens nach wenigen Monaten.

Mit diesen außerordentlich kurzen Recruiting-Prozessen steigt die Gefahr der Fehlentscheidung für beide Seiten. Keine wirklich neue Gefahr, eher ein neuer, trendiger Begriff, für ein altes Verhalten, aber eine steigende Gefahr in Zeiten des Fachkräftemangels. Zudem unnötig, wenn einfache Maßnahmen Abhilfe schaffen würden und langfristig erfolgreicher sind.

Keine neue, aber unsere Strategie: Zeit und Ehrlichkeit

Wir erleben es immer wieder, das Bewerbungsgespräche nur oberflächlich geführt werden. Allein für die (Online)Bewerbung genügen immer weniger Informationen, eine kurze Mail, eventuell noch ein Lebenslauf und schon mahlen die Mühlen des Recruiting. Im Video-Call werden die Key Facts abgefragt und mit einem Minimum an Übereinstimmung eine Zusage gemacht. Schnell noch ein attraktives Benefit hinterher, um den Kandidaten für sich zu gewinnen. Unterschrift drunter, sicher ist sicher. Das ist und war immer schon der falsche Weg.

Das Geheimnis liegt unseres Erachtens in Zeit und Ehrlichkeit. Beides die Voraussetzungen für Interesse am Gegenüber, dem Abgleichen weicher Faktoren, wie: was sind persönliche Stärken, wo liegen verborgene Talente, welche Ambitionen treiben den Kandidaten an? Was erwartet er von seiner neuen Position, welche Entwicklung sieht er für sich? Beide Seiten haben Fragen, die wichtig sind. Nur im Dialog können diese befriedigend beantwortet werden.

Ehrlich währt am längsten

Ehrlichkeit zahlt sich in jedem Fall aus. Benennen Sie Tätigkeiten klar und prüfen Sie, ob die Stärken und Kompetenzen dazu passen. Natürlich kann und muss Entwicklung immer möglich sein. Aufgaben oder Positionen in Aussicht zu stellen, die es doch nie geben wird, funktioniert evtl. kurzfristig, aber kann keinen Mitarbeiter langfristig im Unternehmen halten. Denn die Wechselbereitschaft ist größer geworden, ebenso wie die Chancen auf einen besseren Job. Besonders in den ersten drei Monaten schauen sich viele Mitarbeitende aktiv oder zumindest passiv nach einem neuen Job um.

Übrigens: Die Wechselbereitschaft von Beschäftigten liegt auf hohem Niveau. 37% der deutschen Arbeitnehmer sind offen für einen neuen Job. Das zeigt eine aktuelle FORSA-Langzeitstudie – beauftragt von Onlyfy by Xing. Es sind 35% der Frauen und 40% der Männer, die unzufrieden und damit wechselanfällig sind.

Außen hui, innen pfui

Ein weiterer Grund für Blind Signing kann sein, dass ein Unternehmen eine beeindruckende, aber überzogene Hochglanz-Arbeitgebermarke aufgebaut hat. Nach außen werden Unternehmenskultur, Arbeitsplatz, Teamspirit und Benefits in den schönsten Farben gezeigt. Der rote Teppich ist quasi ausgerollt und der Kandidat wird umworben wie ein Star. Wenn aber die Realität im Unternehmen nicht mit dem Bild nach außen Schritt halten kann, folgt ein tiefer Fall.

Die Erwartungen der Bewerber zu erfüllen, setzt eine ehrliche und offene Darstellung des Unternehmens voraus. Nur so fühlen sich die richtigen Kandidaten angesprochen. Ist die Wirklichkeit nicht gut zu verkaufen, stimmt irgendetwas an anderer Stelle nicht. Das ist dann aber ein grundsätzliches Problem der Unternehmenskultur.

Nehmt euch Zeit!

Wir bei CONSIGEN sind der Meinung, dass Blind Signing weniger problematisch wäre, wenn sich die Recruiting-Verantwortlichen im Unternehmen deutlich mehr Zeit für den Bewerber nehmen würden. Denn viel wichtiger und für eine Entscheidung relevanter, sind die direkten Gespräche mit den wichtigsten Beteiligten. Diese Gespräche sind auf Augenhöhe zu führen, um Erwartungen, Werte und Einstellungen abzugleichen. Liegen wir auf einer Wellenlänge, wollen wir das Gleiche, können wir voneinander profitieren und uns miteinander weiterentwickeln? Solche Fragen bzw. Antworten bringen nur Gespräche, für die man sich Zeit nimmt.

Wer jetzt denkt, je mehr Zeit, desto bessere Erkenntnisse und Entscheidungshilfen, dem möchten wir raten, nicht ins andere Extrem zu fallen. Lässt man sich zuviel Zeit, wägt ab, wartet ab, baut etliche Gesprächs-Schleifen ein und bezieht möglichst viele Personen in die Entscheidung mit ein, passiert das Gegenteil. Der Kandidat hat sich anders entschieden oder es gibt keine klare interne Mehrheit für oder gegen ihn. Beides ist kontraproduktiv.

Der einzige Weg ist es, sich mit allen Beteiligten auf einen organisierten Prozess zu einigen. Damit ist es möglich, innerhalb relativ kurzer Zeit eine Entscheidungsgrundlage zu schaffen. In der Zusammenarbeit mit unseren Kunden haben wir diesen Erfolg schon mehrfach begleitet.

Das hat sich bewährt – so arbeiten wir als Personalberater

Als CONSIGEN sehen wir unsere Dienstleistung nicht nur im Finden der geeigneten Kandidaten, sondern ganz besonders in der Auswahl und Vorbereitung für das erste Gespräch. Daher führen wir in einem Vorab-Gespräch, vor dem eigentlichen Termin mit dem Unternehmen, ein intensives, persönliches Gespräch mit dem Kandidaten. Wir besprechen den Lebenslauf und werfen nicht nur einen aufmerksamen Blick auf kritische Punkte wie kurze Dauer bei mehreren beruflichen Stationen und/oder häufige Jobwechsel, sondern es interessieren uns genauso seine Erwartungen an den neuen Arbeitgeber. Hier zählt für uns, wie der Kandidat dies erklärt und wie ehrlich und offen er ist. Nur so lässt sich erkennen, ob dies Hindernisse sind, die es sich zu überwinden lohnt.

Voraussetzung dafür ist aber ein ausführliches und ehrliches Briefing vom Unternehmen an uns, worin es die Herausforderungen, vor denen der neue Mitarbeiter stehen wird, klar benennt. Ehrlichkeit uns gegenüber bedeutet Ehrlichkeit gegenüber dem Kandidaten.

Zusammengefasst erhält der Personalverantwortliche anschließend die wichtigsten Fakten und Infos und im Idealfall unsere Empfehlung für eine Einladung zum Vorstellungsgespräch.

Willkommen beginnt vor der Unterschrift

An diesem Punkt beginnt der eigentliche, interne Recruiting-Prozess mit einem virtuellen Interview als ersten Schritt. Im zweiten Schritt findet ein Termin am Unternehmensstandort statt. Der Kandidat wird eingeladen nicht nur Räume, Gebäude und Arbeitsplatz kennenzulernen, sondern vor allem die Menschen, mit denen er zusammenarbeiten würde. Er spricht direkt mit den zukünftig Beteiligten, d.h. HR, Vorgesetzte, direkte und indirekte Kollegen. Er sieht sich die Prozesse und Abläufe, aber auch die gesamte Unternehmenskultur an. Erst danach haben beide Seiten(!) einen Eindruck davon, ob sie zueinander passen könnten.

Wir werde nicht müde, darauf hinzuweisen, dass so ein Tag nur gelingen kann, wenn alle Fachbereiche mitziehen und sich Zeit an diesem Tag nehmen. Sie müssen in den Ablauf einbezogen werden, damit sie sich Zeiträume frei machen und sie wissen, auf was es ankommt.

Ein Prozess, der gründlich aufgesetzt ist, kann ein Vertragsangebot innerhalb von 2 Wochen nach dem ersten Kontakt durch das Unternehmen ermöglichen.

Natürlich sichern darüberhinaus weiterführende Maßnahmen, dass der neue Mitarbeiter auch bleibt, produktiv arbeitet und motiviert ist. Dazu zählen ein durchdachtes Onboarding und ein zielgerichtetes Retention Management. Nach der Unterschrift hören weder Wertschätzung noch Investition in Mitarbeitende auf!

Unser Fazit

  • Ehrliche Kommunikation ist die Basis jedes Recruitingprozesses – auf beiden Seiten.
  • Möglichst die Beteiligten zusammenbringen und aktiv zuhören, damit der richtige Kandidat eingestellt wird.
  • Nicht beim Aufwand Abstriche machen, die Fachbereiche mit ins Boot holen.

So kann es gelingen und Blind Signing vermieden werden. Übrigens, bei einigen Kunden konnten wir den gesamten internen Recruiting Prozess, in 2-3 Wochen mit einer nachhaltigen Personalentscheidung inkl. Vertragsunterzeichnung abwickeln.

Gern unterstützen wir Personalverantwortliche dabei, den Bewerbungsprozess effizient und zielführend aufzusetzen – für den richtigen Kandidaten, der zur Position und zum Unternehmen passt.

Quellen und Weiterlesen

Artikel im Online-Magazin t3n
Blind Signing: Was du über den vermeintlichen Trend wissen musst

Blogbeitrag von Dr. Bernd Slaghuis
Phänomen „Blind Signing“: Warum jetzt viele Jobwechsler im falschen Job landen

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern auf dieser Website die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.

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