Recruiting

Diskriminierende Formulierungen in Stellenanzeigen vermeiden – und vielfältiger rekrutieren

Auch bei KI-Texten immer wichtiger – diskriminierende Wortwahl erkennen

In meiner Arbeit mit Kandidaten fällt mir in letzter Zeit immer häufiger auf, wie bestimmte Formulierungen in Stellenanzeigen wahrgenommen werden – insbesondere, wenn es um diskriminierende oder ausgrenzende Begriffe geht. Ich beobachte, dass insbesondere Altersdiskriminierung im Life Sciences wieder mehr zum Thema wird. Kandidaten reagieren besonders in diesen Zeiten sensibler darauf. Ich würde mir von Unternehmen mehr Achtsamkeit bei der Formulierung von Stellenanzeigen wünschen. Worte haben die Macht, Menschen auszuschließen. Es sind dabei nicht nur die Klassiker „junges, dynamisches Team“, sondern auch vermeintlich wertfreie, sachliche Begriffe. Hierauf gehe ich im nachfolgenden Blogbeitrag näher ein und gebe Ihnen Alternativen an die Hand.

Besser kritisch Hinterfragen

Als Personalberaterin sehe ich das kritische Hinterfragen von Stellentexten als wichtige Funktion für meine Kunden. Der Text für eine offene Stelle kann durch eine diskriminierende Wortwahl die Auswahl an Bewerbern einschränken – gewollt oder ungewollt. Zudem begeben sich Unternehmen rechtlich auf dünnes Eis – denn das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt ausdrücklich vor Diskriminierung. Wenn Unternehmen hier nicht genau hinschauen, riskieren sie nicht nur ein Imageproblem, sondern unter Umständen rechtliche Konsequenzen bis hin zu Schadensersatzforderungen.

Diskriminierung ist Arbeitgebern gesetzlich verboten 

m gesamten Recruitingprozess schützt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz AGG alle Menschen vor Diskriminierung hinsichtlich dieser sechs Merkmale:

  • Ethnische Herkunft
  • Geschlecht
  • Religion oder Weltanschauung
  • Behinderung
  • Alter
  • Sexuelle Identität

Wird ein Stellenbesetzungsverfahren nicht diskriminierungsfrei durchgeführt, können abgelehnte Bewerber unter bestimmten Bedingungen eine Entschädigung beanspruchen und ggf. noch weitergehenden Schadensersatz geltend machen. Gehen Sie daher einen anderen Weg, hinterfragen Sie Ihre Texte kritisch und vermeiden Sie problematische Formulierungen.

Altersdiskriminierung

Speziell Altersdiskriminierung ist seit Jahren weit verbreitet. In Stellenanzeigen begegnet mir der Klassiker „junges, dynamisches Team“ gefühlt fast täglich. Ich habe den Eindruck, es gibt fast nur junge, dynamische Teams. Ob dies wirklich so ist, sei dahingestellt. Vielmehr vermute ich, dass sich Unternehmen mit dieser Formulierung interessant für jüngere Kandidaten machen wollen. 

Überdenken Sie diese Floskel, denn mit der altersunabhängigen Ansprache können Unternehmen die vielen Vorteile älterer Mitarbeiter und eines altersgemischten Teams für sich nutzen. Ältere Bewerber bringen eine Fülle von Erfahrung, Fachwissen und ein etabliertes Netzwerk mit, was für Unternehmen von großem Wert sein kann (ausführlich habe ich dies im Blogbeitrag „Vergessen Sie die Best Ager nicht“ behandelt).

Problematische Formulierungen (Beispiele)

Diskriminierung kann mit ein paar harmlosen Worten anfangen. Viele vermeintlich gängige Formulierungen senden unterschwellige Signale, wessen Bewerbung erwünscht ist.

Digital Native

Der Begriff „Digital Native“ ist mit einem bestimmten Geburtsjahr verknüpft. Wer nicht in der digitalen Welt aufgewachsen ist, fühlt sich evtl. nicht angesprochen und verzichtet auf eine Bewerbung. Aber Kompetenz im Umgang mit digitalen Tools ist nicht altersabhängig.

Dass der Begriff „Digital Native“ altersdiskriminierend sein kann, stellte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg fest (Urteil vom 7. November 2024, Az. 17 Sa 2/24). Laut der Entscheidung aus Stuttgart ist eine derartige Formulierung „ein Indiz für eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters”. Der Begriff wird häufig für Menschen verwendete, die nach 1980 geboren sind.

Alternative Formulierungen

  • wir suchen einen Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin mit digitaler Affinität
  • sicherer Umgang mit digitalen Anwendungen

Junges, dynamisches Team

Diese sehr häufige Formulierung suggeriert, dass ausschließlich junge Menschen erwünscht sind. Sie schließt ältere Bewerber implizit aus – auch wenn das nicht beabsichtigt ist. Die Floskel ist zumindest umstritten. Das BAG entschied etwa 2016 in gleich zwei Fällen, dass die Erwähnung eines „jungen, dynamischen Teams“ altersdiskriminierend ist (BAG, Urteil vom 19. Mai 2016, Az. 8 AZR 470/14 und Urteil vom 11. August 2016, Az. 406/14).

Laut dem Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern hingegen ist die konkrete textliche Gestaltung sowie die Gesamtformulierung der Stellenanzeige entscheidend (Urteil vom 17. Oktober 2023, Az. 2 Sa 61/23). Ich empfehle alternative Formulierungen, auch um glaubwürdiger zu wirken.

Alternativen

  • ein (motiviertes, kollegiales) engagiertes Team
  • Team mit unterschiedlichen Erfahrungsstufen
  • Kollegin oder Kollege mit Eigeninitiative und fachlicher Kompetenz

Young Professional

Auch bei diesen häufig verwendeten Begriffen geht das BAG von einer mittelbaren Benachteiligung älterer Bewerber aus.

„Young Professional“ kann ältere Personen von einer Bewerbung abhalten. Das hatte das Bundesarbeitsgericht 2013 entschieden (Urteil vom 24. Januar 2013, Az. 8 AZR 429/11) – und elf Jahre später kam der Begriff dennoch in Stellenanzeigen zu rund 15.000 Jobs vor. Auch heute lese ich ihn häufig. Konkretisieren Sie besser die Skills, die ein Bewerber haben sollte.

Alternativen

  • Erfahrung im Bereich XY wünschenswert
  • offen für verschiedene Erfahrungslevel
  • Kenntnisse in den Bereichen ABC sind von Vorteil

Erste Erfahrungen in Führungspositionen

Anders in diesem Fall. Bei der Formulierung „erste Erfahrungen in Führungspositionen“ wies das Gericht eine Klage ab. Es stellte fest, dass die Formulierung „erste Führungserfahrung“ nicht automatisch auf ein bestimmtes Alter hinweist. Sie bedeutet keine Altersdiskriminierung. Das Gericht betonte, dass Führungserfahrung in jedem Alter erworben werden kann. Somit ist diese Anforderung weder unmittelbar noch mittelbar an das Alter einer Person geknüpft (Landesarbeitsgerichts Köln (LAG Köln, 20.06.2024 – 6 Sa 632/23).

Deutsch als Muttersprache?

Stellt die Anforderung „Deutsch als Muttersprache“ eine Diskriminierung dar? Neben der Altersdiskriminierung in Stellenanzeigen spielt in 8 Prozent aller diskriminierenden Stellenanzeigen das Merkmal ethnische Herkunft eine Rolle. Dabei geht es in allen Fällen um die Anforderungen an Bewerbende, „Deutsch als Muttersprache“ zu beherrschen, das ergab eine Studie aus 2018, die 5.667 Stellenanzeigen auswertete (Antidiskriminierungsstelle des Bundes).

Die Anforderung, „Deutsch als Muttersprache“ zu beherrschen, diskriminiert einen Bewerber, der zwar perfekt Deutsch spricht, diese Sprachkenntnisse aber als Fremdsprache erworben hat. Mit Urteil vom 29. Juni 2017 – AZ 8 AZR 402/15 – hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass diese Anforderung zumeist eine mittelbare Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft bewirkt.

Alternativen

  • Deutsch auf Muttersprachlerniveau
  • Sehr gute Deutschkenntnisse
  • Deutsch auf Niveau C1/C2
  • Deutsch verhandlungssicher

„Flexibel“ kann diskriminierend wirken

Als kritisch wird in Bezug auf das Merkmal „Behinderung“ die Verwendung des Begriffs „flexibel“ eingeschätzt

Auch Eltern von kleinen Kindern können sich mit solchen Formulierungen wie „hohe Flexibilität“ ausgeschlossen fühlen. Besonders in dieser Lebensphase ist Verlässlichkeit bei der Planung von Arbeitszeiten für die Familien unbezahlbar.

Alternativen

  • offen für Neues
  • lösungsorientiert
  • eigeninitiativ

Bitte mehr offenes Mindset

Meine Empfehlung: Betonen Sie proaktiv in Ihren Stellenanzeigen und auf Ihrer Karriereseite, dass Sie offen für alle Bewerbende sind. Sie können Hinweise nutzen wie:

„Wir freuen uns auf alle Bewerbungen unabhängig von Alter, Geschlecht, ethnischer Herkunft oder Behinderung.“
Oder: „Erfahrung ist bei uns genauso gefragt wie neue Impulse.“

Stellen Sie Fähigkeiten und Soft Skills in den Vordergrund – etwa Teamfähigkeit, Führungskompetenz oder Lernbereitschaft. Diese können in jedem Alter, mit jeder Herkunft, in jeder Lebenssituation vorhanden sein.

Bitte noch ein Blick auf das Foto

Neben der Sorgfalt für den Text, sollten Sie auch auf das Bildmaterial einen kritischen Blick werfen. Zeigt es möglichst Mitarbeitende verschiedenen Alters und Herkunft? Einseitige Darstellungen – etwa nur junge, männliche oder weibliche Mitarbeitende – vermitteln unterschwellig eine Bevorzugung bestimmter Merkmale.

Zusätzliche Tipps

Inklusive Sprache
Achten Sie auf eine inklusive Sprache, die alle Geschlechter, Nationalitäten, Religionen und andere persönliche Merkmale umfasst.

KI-Texte kritisch hinterfragen
Übernehmen Sie Text von z.B. ChatGPT nicht einfach, sondern hinterfragen Sie sie immer kritisch. Er muss zudem Ihr Unternehmen und seine Unternehmenskultur widerspiegeln.

Sie können auch einen Text über einen weiteren Prompt prüfen lassen, hier ein Vorschlag: „Überprüfe diesen Text für unsere Stellenanzeige hinsichtlich diskriminierender Begriffe und Formulierungen. Formuliere potenziell diskriminierende Begriffe so um, dass sie frei von Vorurteilen sind und sich alle interessierten Bewerber angesprochen fühlen, unabhängig von ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität.“

Altersbezogene Codes
Der Sprachstil einer Anzeige kann unbewusst ausschließend wirken. Allzu trendige Begriffe oder Jugendsprache erzeugen Distanz. Ziel sollte eine klare, professionelle und wertschätzende Sprache sein – unabhängig vom Alter.

Objektive Kriterien
Konzentrieren Sie sich auf objektive Anforderungen und Qualifikationen, die für die Stelle erforderlich sind. Damit erweitern Sie zudem den Kreis der potentiellen Kandidaten.

Bewerbungsprozess
Stellen Sie sicher, dass der Bewerbungsprozess für alle Bewerber transparent und fair ist. Dokumentieren Sie alle Schritte.

Schulungen
Sie können regelmäßig Schulungen für Personalverantwortliche und Führungskräfte durchführen, um das Bewusstsein für Diskriminierung zu schärfen.

Mein Fazit

Bei der Formulierung von Stellenanzeigen sollte man aus lauter Vorsicht nicht in vorauseilenden Gehorsam verfallen, der die Anforderungen so weichspült, dass sie nicht mehr der Realität entsprechen. Der Leser hat durchaus einen Anspruch darauf zu erfahren, was im Großen und Ganzen von ihm oder ihr erwartet wird, bevor Zeit in eine Bewerbung investiert wird.

Eine Konzentration auf die Aspekte einer Stellenausschreibung, die sich auf die Qualifikationen beziehen, und ein gewisses Maß an Wachsamkeit gegenüber diskriminierenden Schlüsselformulierungen, sind meiner Ansicht nach eine gute Richtschnur zur Gestaltung fairer Stellenanzeigen.

Die bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema hilft, diskriminierende Formulierungen zu vermeiden. Sie werden weniger angreifbar und erhöhen die Chancen, dass sich Fachkräfte angesprochen fühlen, an die sie im ersten Schritt vielleicht gar nicht gedacht haben.

Am Ende dieses Beitrags finden Sie eine Checkliste zum Download (PDF)  über verschiedene, kritische Begriffe und wie Sie mit Alternativen Ihr Anzeige fairer gestalten können.

Mein ganz persönlicher Tipp zum Schluss: Lassen Sie Stellenanzeigen vor Veröffentlichung gegenlesen – idealerweise von Personen mit unterschiedlichem Hintergrund. Ein externer Check hilft, unbewusste Ausschlüsse zu erkennen und gibt Ihnen wertvolles Feedback zur Wirkung auf Dritte.

Nutzen Sie die Chance: Mit Stellenanzeigen, die alle ansprechen, stärken Sie Ihre Arbeitgebermarke, zeigen Wertschätzung – und gewinnen Talente, die sonst vielleicht nicht auf Sie aufmerksam geworden wären.

Gern komme ich mit Ihnen ins Gespräch, ich freue mich auf Ihre Nachricht oder Ihren Kommentar.

Checkliste (PDF) zum Download

Quellen und zum Weiterlesen

https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ueber-diskriminierung/diskriminierungsmerkmale/alter/alter-node.html

https://efarbeitsrecht.net/diskriminierungsfreie-stellenanzeige-was-ist-noch-erlaubt/

https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Expertisen/diskriminierung_in_stellenanzeigen.pdf?__blob=publicationFile&v=3

https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/aktuelle-faelle/DE/Geschlecht/Geschlecht_inhalt_Kinderwunsch.html

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