Zukunft

Startschuss ohne Berufseinsteiger? Wenn KI das Rennen gewinnt!

Berufseinsteiger vs. KI 

Digitale Technologien und jetzt auch KI in all ihren Formen und ihrer Dynamik verändern die Berufswelt grundlegend. Viele Tätigkeiten, die bislang Berufseinsteigern den Weg in ihren Beruf eröffneten, werden zunehmend automatisiert. Unternehmen optimieren Prozesse und sparen Kosten, aber es bleibt die Frage: Was passiert, wenn die wichtigen ersten Lernschritte im Berufsleben wegfallen und damit das Fundament einer neuen Generation von Fachkräften?

Mega-Trend für Unternehmen: KI 

Die KI ist überall, sie ist Megatrend, Herausforderung, Chance und greift in immer mehr Handlungsfelder eines Unternehmens ein – in die Kundenerlebnisse, die Produktivität, die Effizienz, die IT-Sicherheit. Immer mehr Aufgaben fallen weg, auch wenn sicherlich völlig neue entstehen. Diese Anpassungsleistung, die wir erzielen müssen, ist zugleich Herausforderung und Chance. Das ist nichts Neues. So war es schon beim Übergang von der Schreibmaschine zum PC oder vom Wahlscheibentelefon zum Smartphone. Wer sich nicht (mit) verändert und weiterentwickelt, wird beruflich abgehängt bzw. im schlechtesten Fall abkömmlich.

Können Unternehmen Schritt halten?

Während die Digitalisierung vielerorts noch nicht abgeschlossen ist, rollt die KI-Welle bereits über uns hinweg. Positiv betrachtet ist KI, sinnvoll eingesetzt, ideal um Prozesse zu verschlanken, monotone Tätigkeiten zu übernehmen und Daten effizient auszuwerten. Gleichzeitig entsteht jedoch ein Problem, das bisher wenig beachtet wird und das hauptsächlich die Zukunft der Berufsanfänger betrifft. Darüber möchte ich in diesem Blogbeitrag schreiben und gern in den Dialog kommen. 

Ohne Junior kein Senior

Ich sehe vor allem Berufseinsteiger akut durch den KI Einsatz gefährdet, nicht nur in Industrie, Marketing oder IT, sondern durchaus in Branchen wie Rechtsberatung oder Unternehmensberatung. Früher erhielten Junior-Mitarbeiter einfache Aufgaben wie Datenanalysen, Fleißarbeiten oder Texterstellung. Diese Tätigkeiten boten ihnen die Möglichkeit, theoretisches Wissen in die Praxis zu übertragen. Heute übernimmt genau diese Aufgaben KI. Sie ist schneller, präziser, günstiger. Unternehmen sparen sich die Junior-Stellen.

Harvard-Studie belegt: Junior wird eingespart

Eine Harvard-Studie (veröffentlicht August 2025) bestätigt diesen Trend. Basis der Studie waren Lebenslauf- und Stellenausschreibungsdaten aus den USA, die fast 62 Millionen Arbeitnehmer in 285.000 Unternehmen (2015-2025) abdecken, und die Beschäftigungsdynamik innerhalb eines Unternehmens nach Dienstalter verfolgt.

Mit diesen Daten untersuchten Guy Lichtinger, Seyed Mahdi und Hosseini Maasoum, ob die generative künstliche Intelligenz (KI) eine Form des technologischen Wandels darstellt, der sich auf das Dienstalter auswirkt. Betrifft dies tatsächlich die jüngeren Arbeitnehmer im Vergleich zu den älteren unverhältnismäßig stark?

Ergebnis: Seit Anfang 2023 sinkt die Beschäftigung junger Mitarbeitender in Firmen mit KI-Einsatz deutlich stärker als in Firmen ohne KI. Der Rückgang entsteht durch weniger Einstellungen, nicht durch mehr Kündigungen. Gleichzeitig bleibt die Nachfrage nach erfahrenen Mitarbeitern stabil oder steigt sogar.

 

Insgesamt liefern die Ergebnisse erste Belege für eine altersabhängige Auswirkung der Einführung von KI und ihrer Mechanismen.

Das Aus für Berufsanfänger?

Es werden also weniger Berufsanfänger eingestellt, weil man sie schlicht und ergreifend nicht mehr braucht? Das klingt zunächst logisch. Denn um KI zu entwickeln, zu überwachen und einzusetzen, braucht es Erfahrung, die eher ein Senior-Experte besitzt.

Wenn jedoch junge Menschen keine Chance mehr bekommen, diese wertvollen Erfahrungen zu sammeln, wer soll dann in ein paar Jahren die KI steuern?

Die Nachfrage nach Juniors bricht spürbar weg. Noch (!) sehe ich das in der Life-Sciences-Branche nicht, obwohl viele Aufgaben wie Auswertungen und Datenanalysen sehr gut von KI übernommen werden können. Daher kann ich mir bei genau diesen Aufgaben gut vorstellen, dass sich KI stark bemerkbar machen wird. Ich habe aber die Hoffnung, dass wir aus den Fehlern, die wir in der ersten Begeisterung für KI und den dadurch eingesparten Kosten machen, schnell lernen werden und sie nicht in anderen Branchen wiederholen.

Soweit sind wir aber noch nicht. Es scheint so, durchaus gestützt durch die Harvard-Studie, dass Unternehmen sich auf Senior-Positionen konzentrieren. Mit Hilfe von KI kann ein Senior gleich mehrere Juniors ersetzen, womit die Kostenargumentation (vordergründig) überzeugt. Doch langfristig schaffen wir eine Lücke im Erfahrungstransfer. So kann ein Qualitätsmanager mit zehn Jahren Erfahrung mithilfe von intelligent eingesetzter KI heute zwei bis drei Juniors ersetzen und bald vielleicht eine ganze Abteilung. Harvard-Forscher sprechen von „Seniority-Biased Technological Change“.

Das genau ist der Fallstrick, den wir uns selbst gelegt haben oder gerade legen: Woher kommen in zehn Jahren die Seniors, wenn wir heute keine Junioren mehr ausbilden? Wohin geht das Fachwissen und vor allem die Berufserfahrung, wenn die Baby Boomer aus den Jahrgängen 1946 bis 1964 zu einem Großteil bis 2036 in Rente gehen? Wissen und Erfahrung drohen dadurch gleich doppelt verloren zu gehen.

Try, Fail, Repeat

Berufseinsteiger brauchen Raum und Chancen um Kompetenzen aufzubauen, Erfahrungen zu sammeln und Teamdynamik zu verstehen. KI übernimmt zwar vieles in Sekunden, wofür Menschen Jahre benötigen. Doch sie ersetzt nicht das Bauchgefühl im Kundenkontakt, die Intuition in Beratungsgesprächen oder die soziale Kompetenz in Teams. Genau das unterscheidet den guten Berater, Arzt oder Personalmanager von einem reinen Datenverarbeiter.

Und natürlich nutze auch ich KI-Tools, um produktiver zu arbeiten. Es sind Werkzeuge, die uns vieles erleichtern. Aber der Preis könnte hoch sein: eine Generation ohne Einstiegschance, ohne Lernkurve – und damit ohne Chance, jemals zu Senior-Experten zu werden.

Besser langfristig denken

Kurzfristig profitieren Unternehmen, wenn KI Junior-Aufgaben übernimmt und die Kosten sinken. Langfristig jedoch droht ein gefährlicher Mangel an erfahrenen Fachkräften. Wenn Berufseinsteigern heute keine Chancen mehr gegeben werden, fehlen morgen die Experten, die KI sinnvoll und verantwortungsvoll steuern können. Nachhaltige Personalpolitik muss deshalb bewusst Ausbildungs- und Einstiegswege sichern, ganz besonders im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz.

Und das Fazit der KI (hier: Perplexity), dem ich gern zustimme:

…Letztlich ist KI ein Werkzeug – die Herausforderungen entstehen durch die Art und Weise, wie wir sie implementieren und organisieren. Nachhaltige Personalpolitik und Bildungskonzepte sind gefragt, um sicherzustellen, dass Berufseinsteiger weiterhin Chancen erhalten und KI als Ergänzung und nicht als Ersatz dient. So kann KI dazu beitragen, die Arbeitswelt zukunftsfähig und vielfältig zu gestalten, anstatt Barrieren zu schaffen.

 

Quellen und zum Weiterlesen

Harvard Studie (Paper zum Download)

ZDF heute: Welche Folgen KI für Berufseinsteiger hat

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  Kommentare: 1


  1. KI bietet viele Vorteile, aber die Auswirkungen auf Berufseinsteiger werden oft unterschätzt. Wenn Junior-Positionen durch KI ersetzt werden, verlieren junge Talente die Chance, wichtige Erfahrungen zu sammeln und sich weiterzuentwickeln. Langfristig könnte uns das die Fachkräfte von morgen kosten. KI sollte zwar Prozesse optimieren, aber wir dürfen nicht vergessen, dass Erfahrung und menschliche Intuition auch in Zukunft unverzichtbar bleiben.

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