Life Science Trends

Das Übernahme- und Fusionsfieber in der Life Science Industrie

Während der letzten Jahre konnten wir eine starke Zunahme an Fusionen und Übernahmen innerhalb der Life Sciences-Industrie beobachten, insbesondere in den Branchen Pharma und Biotechnologie. Laut einer Analyse von Thomson One und KMPG betrug das Gesamtvolumen der „Merger & Acquisitions (M&A)“ in der ersten Hälfte von 2015, $ 221 Mrd.
Die größten M&A Aktionen der letzten Zeit waren Shire´s $ 32 Mrd. Fusion mit Baxalta, welche den Weltmarktführer in „Rare Diseases“ kreierte und der Kauf der Generika-Sparte von Allergan durch den Generikaherrsteller Teva für $ 40,5 Mrd. Auch Bayer möchte in 2017 noch die 66 Milliarden Dollar teure Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto abschließen.

Auf den ersten Blick scheint es, dass das Übernahme- und Fusionsfieber aktuell viele Life Siences-Unternehmen erhitzt, vor allem in der Pharma- und Biotechnologie-Branche. Biotechnologie-Firmen werden immer stärker zu den Lieblingsobjekten von großen Pharmaunternehmen, die auf der Suche nach dem nächsten profitablen Produkt sind. Aber was sind die Treiber dieser M&A Fieberwellen? Welche Schlussfolgerungen können wir aus den aktuellen Szenarien ziehen? Werfen wir einen Blick hinter die Kulissen um die aktuellen Entwicklungen zu verstehen!

Treiber von M&A in der Life Sciences-Industrie

M&A sind immer das Ergebnis einer Reihe unterschiedlicher Faktoren welche mit den Zielen der Käufer übereinstimmen müssen. Im Vordergrund steht dabei die Wettbewerbsfähigkeit des jeweiligen Unternehmens zu steigern. Aber was sind momentan die Hauptgründe für das Interesse der Industrie an M&A?

1.) Cheap financing

Bedingt durch die niedrigen Zinsen, vor allem in den USA, ist die Möglichkeit des „cheap financing“ ein starkes Argument für das vorherrschende Interesse an M&A. Viele Life Sciences-Unternehmen nutzen die aktuelle Politik der niedrigen Zinsen um ihre Verschuldung zu reduzieren. Mit optimierten Bilanzen und genügend Cash-Flow in den Taschen geht es dann auf die große Akquisejagd.

2.) Tax-inversion-deals

Einige Unternehmen haben in der Vergangenheit mit sogenannten „tax-inversion-deals“ gearbeitet um hohe Körperschaftssteuern in ihren Heimatländern zu vermeiden. Das gängige Szenario für diese Art von Deals ist, dass Firmen mit Sitz in Niedrigsteuerländern wie Irland oder UK von Unternehmen übernommen werden, die aus Ländern kommen, in denen höher besteuert wird. Dabei wird der Firmensitz des neuen Konzerns dann in das Land mit dem niedrigeren Steuersatz verlegt. Auf diese Art und Weise konnten z.B. US-Unternehmen Milliarden an Steuergeldern sparen. Allerdings haben neue Maßnahmen des US Department of Treasury und der Brexit diese Option weniger attraktiv gemacht. Aufgrund neuer „tax-inversion“ Regeln wurde die eigentlich im November 2015 von Pfizer schon getroffene Entscheidung, Allergan für $ 160 Mrd. zu übernehmen, im April 2016 wieder rückgängig gemacht. Wäre diese Transaktion zustande gekommen, so wäre sie die größte in der Geschichte der Life Sciences-Industrie gewesen.

3.) Shareholder Erwartungen

Wie jeder andere private Sektor, muss auch die Life Sciences-Industrie die Erwartungen Ihrer Shareholder erfüllen. Zukünftiges Wachstum sichern mit Hilfe von Übernahmen und Fusionen ist ein gebräuchliches Mittel hierzu. In manchen Fällen passt auch die Reduzierung von Forschung- und Entwicklungskosten (F&E) zu dieser Strategie. Besonders in Fällen, in denen Investoren hohe F&E Kosten als Negativwert sehen, wird eher mal eine „neue“ Forschungspipeline übernommen als in die eigene Forschung investiert.

4.) Reduzierung von F&E Kosten

Laut der Webseite www.statistics.com, geben die Top 20 der pharmazeutischen Unternehmen durchschnittlich 19,3% ihrer Sales-Einnahmen für F&E aus. Gemäß der Evaluate Pharma World Preview 2015 betrugen die Gesamtausgaben für F&E $ 141,6 Mrd. in 2014. Die gleiche Studie zeigt aber auch, dass das jährliche Wachstum der F&E Ausgaben in den letzten Jahren deutlich zurückging. Während die durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten zwischen 2007 und 2011 bei 4,8 % lagen, so betrugen die durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten zwischen 2012 und 2015 nur noch 1,2%. Gleichzeitig ist seit einigen Jahren eine deutliche Reduzierung der in-house F&E wahrzunehmen, besonders bei den großen Pharmaunternehmen. Die Mehrheit der Top 50 Medikamente mit dem höchsten Sales-Volumen wird nicht mehr in-house entwickelt. Heutzutage kann die Reduzierung von F&E Kosten ein wichtiger Grund sein für die Entscheidung, lieber ein anderes Unternehmen zu übernehmen als selber in-house Entwicklung betreiben zu müssen. M&A werden innerhalb der Industrie oftmals dazu genutzt um Geschäftsprozesse zu „glätten“. Dies kann z.B. zur kompletten Einstellung aller ursprünglicher F&E Aktivitäten führen , falls die übergeordneten Unternehmensziele sonst in Gefahr geraten oder falls bereits in einer frühen Phase die Forschung zu riskant wird um sie weiterbetreiben zu können. In einem Prozess der Neustrukturierung durch die Eroberung neuer Geschäftsfelder, sind Biotechnologie-Firmen für die pharmazeutische Industrie extrem interessant geworden.

5.) Abnehmende Produktpipeline

Der wachsende weltweite Kostendruck hat ein System entwickelt, bei dem die großen Pharmaunternehmen M&A immer mehr dazu nutzen, Ihre leergelaufene Pipeline mit neuen Substanzen zu füllen. In einem Markt, in dem es, gemäß der PhRMA (Pharmaceutical Research and Manufacturers of America), im Durchschnitt $ 2,6 Mrd. kostet um ein neues Medikament auf den Markt zu bringen, können F&E Investitionen sehr riskant werden. Umso mehr, wenn wir zur Kenntniss nehmen, dass laut vfa (Verband Forschender Arzneimittelhersteller) es im Durchschnitt 13,5 Jahre dauert bis ein Medikament den Weg vom Konzept zur Genehmigung durchläuft. Selbst dann fallen viele Medikamente im Kommerzialisierungsprozeß noch durch und nur äußerst wenige erlangen einen Blockbuster-Status von $ 1 Mrd jährlichem Umsatz. Deshalb kann es, ökonomisch betrachtet, Sinn machen ein Start-Up oder einen etablierten Player mit einer verheißungsvollen Pipeline zu akquirieren. Tatsächlich ist es für viele Big-Pharmaunternehmen schneller und einfacher einen Marktteilnehmer mit vielversprechenden Produkten zu kaufen als in die kostenintensive in-house F&E zu investieren um die Löcher in der Pipeline zu stopfen. Aktuell scheint es so, dass der Kauf von Biotechnologiefirmen der effizienteste Weg für viele große Pharma-Unternehmen ist um Ihre Produktpipeline wettbewerbsfähig für die Zukunft zu gestalten. Ein gutes Beispiel für diese Strategie ist Astra Zeneca. Dieser Englisch-Schwedische Großkonzern hat mehrere Biotech Firmen während der letzten Jahre aufgekauft um seine Pipeline in den Bereichen Respiratory, Cardiovascular und Onkologie auszuweiten.

6.) Auslaufende Patente

Wir haben gesehen, dass die Akquise von Biotechnologieunternehmen von steigendem Interesse für die großen Unternehmen der Pharmbranche ist, da diese Big Player ständig ihre Pipeline optimieren müssen. Genauso interessant sind Biotechnologieunternehmen aber auch, wenn es um den Ablauf der Patentrechte geht. Viele Biotech Firmen haben ihre Produkte bereits auf dem Markt oder in der finalen Testreihe. Nichts desto trotz sind sie jedoch oftmals limitiert, was den Zugang zu Kapital anbetrifft, welches benötigt wird um die Produkte stärker zu kommerzialisieren. Große Pharmaunternehmen mit Ihren starken finanziellen Möglichkeiten können hier für den benötigten Kapitalzufluss sorgen. Umgekehrt ist die Pharma-Industrie in einer Situation in der viele best-selling Produkte Ihren Patentschutz und somit ihre Exklusivität verlieren. Auch deshalb hat die Pharma-Branche die Biotechnologie mit ihren neuen und innovativen Produkten als ideales Akquiseziel identifiziert. Ein Beispiel für die steigende Bedeutung von biologischen Präparaten für den therapeutischen Nutzen sind die sogenannten „large molecules“, die aktuell stark im Zentrum der Medikamenteninnovation stehen.

7.) Spezialisierung

M&A, als Strategie eingesetzt, hat viele Jahre lang Unternehmen mit diversen Produkten und Pipelines hervorgebracht, die unterschiedliche Bereiche abdeckten. Aber in letzter Zeit haben immer mehr Life Sciences-Unternehmen M&A dazu eingesetzt, sich stärker zu spezialisieren. Dieser Trend manifestiert sich in Strategien wie der Veräußerung von „non-core“ Produkten oder der Komplementierung von bestehenden Kernprodukten. Als Beispiel kann hier der Verkauf des Animal Health Geschäftes von Novartis an Eli Lily für $ 5.4 Mrd. dienen oder auch die geplante Übernahme des US-amerikanischen Saatgut Giganten Montsanto durch die Bayer AG, welche ein Volumen von $ 66 Mrd. abdeckt. Das Ziel von Bayer ist es, das interne Crop Sciences Geschäft zu stärken und die Marktanteile am globalen Saatgut Markt sehr deutlich zu steigern. Die wachsende Kompetenz im Bereich Agrarwirtschaft und Saatgut passt dabei genauso ins Konzept, wie die Veräußerung der Material Sciences- und Chemie-Sparten. Ziel ist, neben der Stärkung des Pharmageschäftes, der Aufbau eines globalen Agrarindustrie-Players.

Ist M&A der heilige Gral für die Life Sciences-Industrie?

Natürlich kann eine Analyse der Treiber des M&A-Fiebers der Life Sciences-Industrie nur schwer alle entscheidungsrelevanten Themen aufgreifen. Es handelt sich hier schließlich um ein extrem komplexes Thema. Die Konsolidierung des Marktes für Generikahersteller ist in diesem Zusammenhang sehr interessant und bedarf einer Extraanalyse. Themen wie die Handhabung ausländischer Finanzreserven, der örtliche Sitz des geistigen Eigentums oder der Zugang zu technologischen und akademischen Ressourcen spielen auch eine Rolle in diesem Prozess. Aber auch ohne auf jedes einzelne Detail einzugehen, kann gesagt werden, dass das Life Sciences-Business-Model von seiner Fähigkeit abhängt, Blockbuster Produkte auf den Markt zu bringen und das M&A ein populäres und zeitgemäßes Instrument zum Erreichen dieses Zieles darstellt.
Sind M&A also der heilige Gral in der Life Sciences-Industrie? Solch eine forschungsintensive Industrie wie Life Sciences trägt immer das Risiko in sich, dass Unternehmen zum Auffüllen Ihrer Pipelines primär auf M&A setzen. Solange diese Strategie nicht mit der Zerstörung der Wettbewerbssituation innerhalb der Industrie und der Zersetzung des Innovationsprozesses für die Entwicklung neuer Produkte endet, sollte M&A in der Life Sciences-Industrie als normaler wirtschaftlicher Prozess innerhalb einer freien Marktwirtschaft betrachtet werden.

Es besteht aber die Notwendigkeit ständig zwischen den legitimen Interessen der Life Sciences-Unternehmen und den öffentlichen Erwartungen an eine Industrie, die auf der Wissenschaft basiert, abzuwägen. Dies ist manchmal eine dünne rote Linie, besonders für die Regulierungsbehörden. Aber auch die Life Sciences-Industrie sollte sich ständig daran erinnern, was ihre Existenzberechtigung ist: Die Entwicklung und die Bereitstellung von neuen Medikamenten und neuer Medizintechnik für die Patienten, die diese am meisten benötigen.

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